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EDOS - The Rise Of Nemra - Folge 8

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The Rise Of Nemra – Folge 8




"Hop, hop! Nicht bummeln!", rief Jiro heiter und schritt vergnügt lächelnd voran, gefolgt von seinen allmählich genervten Begleitern.
Sie hatten Geta bereits vor Stunden verlassen und waren eine ganze Weile der gepflasterten, gut begangenen Hauptstraße in Richtung Westen gefolgt. Nach einer Weile kamen sie an einer Kreuzung an und folgten von da an dem Weg in Richtung Norden. Anders als die Hauptstraße, war der Weg nach Filias lediglich ein breiter, ausgetretener Pfad, der zunehmend durch waldiges, abgelegen erscheinendes Gebiet führte.

Goldene, wohlig wärmende Lichtstrahlen fielen durch das Blattwerk der Bäume auf das Dickicht des Waldes und den Weg, der sich hindurch schlängelte.
Die Gefährten lauschten andächtig den lieblichen Geräuschen des Waldes und genossen die Ruhe, als Tell sich leise räusperte und an Jiro gewandt sprach: „Was führt Euch denn eigentlich nach Filias, wenn ich fragen darf?"
Jiro schritt nach wie vor lächelnd vor seinen Begleitern her und wandte den Kopf nur leicht nach hinten, um zu antworten. „Geschäftliche Dinge."
„Was für geschäftliche Dinge?", hakte Tell nach.
Jiro überlegte einen Moment. „Geschäftliche Dinge, meine ehrenwerten Beschützer, die momentan nichts zur Sache tun. Ich kann euch aber versichern, dass ich euch noch früh genug in Kenntnis setzen werde." Für Jiro schien sich die Sache damit zu haben, denn er wandte sich wieder nach Vorne. Aber Luna wollte sich mit der Antwort nicht begnügen.
„Wie sollen wir denn für angemessenen Schutz sorgen, wenn wir nicht wissen, was vor uns liegt?"
„Indem Ihr Eure Augen und Ohren offen haltet und stets bei mir bleibt, meine Teuerste", erwiderte Jiro und zwinkerte Luna charmant zu.
Diese erwiderte seinen Blick mit gerunzelter Stirn und beschloss, vorerst jede Konversation mit ihm zu vermeiden, während die Gefährten dem Weg von nun an schweigend folgten.

Es war bereits später Nachmittag und das Sonnenlicht begann abzunehmen. Luna bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Tell im Gehen immer wieder einen Blick auf seine Armbanduuhr warf – sein Gebaren wurde zunehmend unruhiger.
„Etwas nicht in Ordnung, Navigator?", fragte Luna und warf ihm einen schiefen Seitenblick zu, worauf er zu Boden blickte und sich ratlos am Hinterkopf kratzte.
„Naja, um ehrlich zu sein … Ich bin mir nicht sicher", nuschelte er.
Nante seufzte hörbar und auch Jiro schien ganz plötzlich hellhörig zu werden.
„Wie meinen?", fragte er, den Kopf zur Seite geneigt und Tell lächelnd musternd.
„Nun, laut Friedrichs Instruktionen hätten wir mittlerweile auf eine Raststätte treffen sollen, welche an dieser Straße gelegen ist. Da wir bis jetzt aber keine Spur davon gesehen haben, liegt die Vermutung nahe, dass wir entweder im Zeitplan zurückliegen oder dass Friedrich ein kleiner Fehler in seiner Planung unterlaufen ist. Beides wäre für uns in der jetzigen Situation … ungünstig", erklärte Tell – eigentlich lag ihm ein anderes Wort auf der Zunge.
„Tell …", sagte Jiro leise. „Wollt Ihr mir nun erzählen, dass wir bei Nacht reisen müssen? Oder schlimmer noch, hier mitten im Wald unser Lager aufschlagen müssen?" Sein Lächeln nahm einen unheimlichen Ausdruck an, worauf es Tell schauderte.
„Oh! Ist es etwa das?", fragte Luna plötzlich und deutete mit dem Arm geradeaus, worauf alle in die angegebene Richtung blickten.
In der Ferne war eine Lichtung zu sehen, an deren Rand tatsächlich ein großes Gebäude lag. Direkt daneben führte ein kleiner Fluss vorbei, den sie schon seit einer Weile plätschern gehört hatten.
„Na sieh einer an!", rief Jiro aus und warf Tell einen breiten Grinser zu. „Da wollte wohl jemand seinen Scherz mit mir treiben! Zugegeben, ich wäre fast darauf hereingefallen …"
„Auch uns hätte Tell beinahe dran gekriegt", sagte Luna und lächelte schelmisch, angesichts Tells erleichtertem Gesichtsausdruck.
„Nun denn!", rief Jiro aus und straffte etwas den Gurt seines Rucksacks. „Bevor wir nun Opfer weiterer solcher Scherze werden, sollten wir von nun besser acht geben. Meint ihr nicht auch?"
Tell setzte ein Lächeln auf und nickte ihm zu. Für ihn bestand kein Zweifel, dass Jiro lediglich den naiven Einfaltspinsel gemimt hatte. Ob die Anderen dies ebenfalls durchschaut hatten, konnte Tell nicht sagen. Er für seinen Teil würde nun jedes von Jiros Worten genauer unter die Lupe nehmen.

Wie sich bald herausstellte, war „Raststätte" nicht gerade die treffendste Bezeichnung für das Etablissement. Vielmehr handelte es sich um eine Art Hotel – ein Ort, zu dem Leute angereist kamen, um hier ihren Urlaub zu verbringen oder einfach nur ein paar Tage zu entspannen. Zur Entspannung bot dieser Ort wahrlich genug Möglichkeiten.
Ein breiter, gemauerter Steg führte von einer Terrasse auf den schmalen Fluss hinaus und bot zusammen mit einer hölzernen Einfriedung eine optimale Möglichkeit zum Schwimmen, ohne dass man sich wegen Strömung, Treibgut oder der Blicke Außenstehender Gedanken machen musste.
Rund um den Erholungsort lagen zahlreiche Waldwege und Pfade, die zum Spazieren und Wandern einluden.
Das Hotel selbst bot Übernachtungsmöglichkeiten, Unterhaltungsprogramm, sowie eine ausgezeichnete Küche.
„Ich bin wirklich überrascht von diesem Ort. Habt ihr davon gewusst?", fragte Luna, nachdem sie eingecheckt hatten und gerade ihr Zimmer bezogen. Während sich Tell, Nante und Luna ein Zimmer teilten, hatte Jiro sein eigenes bezogen, ein paar Türen weiter.
„Natürlich nicht. Wer hätte denn mit so etwas gerechnet, mitten in dieser Einöde?", erwiderte Tell und stellte seinen Rucksack ab, worauf er sich genüsslich streckte.
„Hm, keine Ahnung", nuschelte Nante schulterzuckend und warf einen Blick aus dem Fenster, von welchem aus man eine schöne Aussicht auf den Fluss hatte. „Was für ein ruhiger Ort."
Tell warf ihm einen schelmischen Blick zu. „Sieh einer an. Ich hätte eher mit etwas wie „Dieser Ort kotzt mich an …" gerechnet, als damit. Du steckst wahrlich voller Überraschungen!"
„Nun, das ist der Unterschied zwischen uns beiden", antwortete Nante, ohne den Blick vom Fluss zu wenden. „Du und Sprüche seid hingegen lesbar wie ein offenes Buch …" Ein leises Lachen folgte.
Es war Tell anzusehen, dass er im Inbegriff war, etwas Bissiges zu erwidern. Aber ehe er Gelegenheit dazu hatte, klopfte es an die Tür.
„Ah, wie ich sehe, habt ihr es Euch bereits gemütlich gemacht", bemerkte Jiro, nachdem er vorsichtig eingetreten war und sah sich um. „Es war großzügig von der Betreiberin, ein drittes Bett aufstellen zu lassen. Und das ohne Aufpreis, wohlgemerkt!"
„Ja, sehr großzügig …", murrte Tell. Erst vor wenigen Minuten hatten sich er, Luna und Nante darüber unterhalten, wie knausrig es von Jiro war, sie zusammen ausgerechnet ins kleinste Zimmer zu pferchen.
„Wie dem auch sei", sagte Jiro und rieb sich die Hände. „Das Abendessen dürfte in kürze aufgetischt werden. Zieht euch ruhig etwas Bequemeres an und trefft mich im Speisesaal. Angeblich erwartet uns im Anschluss sogar ein Unterhaltungsprogramm." Ein Lächeln huschte über seine Lippen, dann nickte er den Gefährten zu und verließ das Zimmer.

Ein paar Minuten später trafen sie gemeinsam im Speisesaal ein. Tell und Luna hatten Jiros Vorschlag angenommen und waren in den weißen, äußerst bequemen Mänteln erschienen, welche man für sie in ihrem Zimmer bereitgelegt hatte. Nante hingegen hatte sich lediglich seines schwarzen Umhangs und seiner Waffen entledigt, was für die Anderen dennoch ein ungewohnter Anblick war. Lediglich den Dolch an seinem Gürtel hatte er sich geweigert, im Zimmer zurück zu lassen.
Jiro saß an einem Tisch am vorderen Ende des Raumes und bedeutete den Gefährten mit einer Handbewegung, sich zu ihm zu gesellen.
„Da seid Ihr ja!", begrüßte er sie, als sie sich endlich zu ihm gesellt hatten. „Nehmt bitte Platz."
Der Tisch war bereits gedeckt und das Essen serviert. Die Hotelgäste an den anderen Tischen nahmen bereits ihr Abendmahl ein – die Luft war erfüllt von köstlichen Gerüchen und dem Klimpern von Besteck.
„Vielen Dank, dass Ihr gewartet habt", sagte Luna anerkennend, nachdem sie sich gesetzt hatten. „Das wäre doch nicht nötig gewesen."
Jiro schüttelte den Kopf und wehrte mit einer Handbewegung ab. „Was wäre ich denn für ein Gentleman, wenn ich ohne Euch angefangen hätte, meine Teuerste?", fragte Jiro und beglückte sie mit einem charmanten Lächeln.
Tell und Nante warfen sich hingegen vielsagende Blicke zu. Zum Einen nervte sie Jirso Gehabe allmählich gewaltig, zum Anderen hatten sie Beide den leeren Teller bemerkt, auf dem zuvor noch kleine Häppchen gelegen haben dürften.
Die Speisen waren vielfältig und reichlich und die Gefährten begnügten sich damit, zu schweigen, während sie sich darüber hermachten. Jiro machte Luna gelegentlich Komplimente und versuchte, ein Gespräch anzufangen, was diese sichtlich nervte.
Als sie schließlich zu Ende gespeist hatten und der Tisch abgeräumt war, wurde Tee serviert.
Während also Jiro Luna mit diversen, zweifelhaften Geschichten das Ohr abkaute und sich Tell und Nante darüber zankten, ob Milch nun tatsächlich in Tee gehörte oder nicht, wurden die Lichte gedämmt und ein hagerer, eigenartig gekleideter Mann trat auf das kleine Podium, am Ende des Raumes.

Nach und nach wurden die Gäste seiner gewahr und verstummten, während sie ihn neugierig musterten.
Er trug einen tiefgrünen, mit goldenen Stickereien versehenes Wams und hatte sich einen scharlachroten Umhang umgelegt, welcher wohl eher optischer als praktischer Natur war.
Ein breiter, buschiger Schnauzer zierte sein Gesicht, ebenso wie ein kleiner, lächerlich aussehender Spitzbart.
Seine etwas dunklere Hautfarbe und seine grünen Augen brachten die Vermutung nahe, dass er Siraner war.
Der Mann wartete ein paar Augenblicke, bis er sich auch der Aufmerksamkeit der letzten Gäste gewiss war, ehe er zu sprechen begann.
„Meine sehr geehrten Damen und Herren, Burschen und Mädchen. Mein Name ist Ezzo und ich heiße Euch willkommen. Nun, wo Ihr Speis und Trank genossen habt und mit wohlig gefüllten Bäuchen vor mir sitzt, halte ich den Moment gekommen, für eine Geschichte. Und was gebe es denn für eine bessere Art, den Abend ausklingen zu lassen, als eine Gruselgeschichte?"
Ein leises Raunen ging durch die Menge der Zuhörer, worauf Ezzo dramaturgisch die Hände hob. „Dies, meine werten Zuhörer und Zuhörerinnen, ist keine Geschichte von Hexen, Prinzessinnen und edlen Rittern. Und auch auf den schwarzen Mann werdet ihr wohl vergeblich warten. Worum es in dieser Geschichte geht, ist Angst, Verzweiflung … und Hass, der selbst den Tod überdauert …" Die letzten Worte waren beinahe nur geflüstert.
Ezzo schwieg einen Moment und ließ das Gesagte auf die Zuhörer wirken, ehe er fortfuhr.
„An dieser Stelle möchte ich alle Zuhörer mit schwachem Gemüte darum ersuchen, in sich zu gehen und sich selbst zu fragen, ob sie der Geschichte beiwohnen wollen. Ich möchte niemandens schlaflose Nacht verschulden. Nun, wo auch das gesagt wurde, steht der Geschichte nichts mehr entgegen. Lehnen Sie sich nun zurück und genießen sie die Vorstellung …

Es war einmal an einem unbestimmten Ort, zu einer unbestimmten Zeit. Ein junger Mann streifte durch die dichten Wälder, auf der Suche nach Feuerholz. Bereits mit etlichen Ästen beladen schritt der junge Mann zwischen den Bäumen umher, als in den Baumkronen über ihm ein Knacken ertönte und er den Kopf hob. Ein Rabe hatte sich über ihm im Geäst niedergelassen und beobachtete ihn aus seinen kleinen, dunklen Knopfaugen. Der junge Mann erwiderte unbeeindruckt den Blick des Geschöpfs und wollte es gerade verscheuchen, als es ihm plötzlich kalt den Rücken hinab fuhr. Er vermochte nicht zu sagen was es war, doch irgendetwas schien nicht zu stimmen. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich beobachtet, nicht nur vom Raben, sondern von allen Seiten. Mit einem lauten krahh öffnete der Rabe plötzlich seine Flügel und flog dicht über den jungen Mann hinweg. Dieser zuckte zusammen und hielt sich schützend das Bündel Holz über den Kopf, während er dem Tier hinterher blickte. Erst als das Schlagen der Flügel verstummte und der Rabe außer Sicht war, ließ der Wanderer seine Arme wieder sinken.
Vermutlich hätte er über sich selbst gelacht, wäre da nicht noch dieses merkwürdige Gefühl gewesen. Und irgendetwas sagte ihm, dass der Rabe etwas damit zu tun hatte. Als hätte er es laut ausgesprochen, ertönte nicht weit von ihm das vertraute krahh. Mochte er es sich eingebildet haben oder nicht, für den jungen Mann klang es wie eine Herausforderung. Das Holzbündel unter den linken Arm geklemmt marschierte er los, dem Krähen des Raben folgend. Er bahnte sich einen Weg durch das dichte Gebüsch, welches der Rabe so spielend leicht überflogen hatte und erstarrte in der Bewegung. Vor ihm lag eine kleine Lichtung, in deren Mitte ein alter, verfallener Turm stand. Es war ein beunruhigender Anblick. Das Gras zu seinen Füßen war dunkelgrau und verdorrt, sodass es unter den Füßen des Mannes knisterte. Die Bäume rund um die Lichtung waren krumm, dunkel und trugen nur wenige Blätter. Die Äste selbst hingen weit herab, wie Arme, die nach dem Boden griffen. Ein unaufhörliches Ächzen ging von ihnen aus, als würden sie sich im Wind bewegen, doch es war windstill.
Der Mann konnte es sich nicht so recht erklären. Die Lichtung, das Gras, die Bäume - alles an diesem Ort gab ihm das Gefühl, unerwünscht zu sein … bis auf den Turm. Je länger er ihn betrachtete, desto stärker wurde das Verlangen, sich ihm zu nähern. Weshalb war er hier errichtet worden? Und was mochte sich darin befinden? Alles in ihm sträubte sich dagegen, sich dem unheimlichen Turm weiter zu nähern, doch das Verlangen war stärker. Wie in Trance ging er über die Wiese, das Knirschen des Grases in den Ohren und näherte sich dem Eingang des Turms.
Die Tür, wenn man sie überhaupt noch als solche bezeichnen konnte, lag zertrümmert vor dem Eingang des Turms, während in dessen Innerem nicht viel zu erkennen war. Auf der linken Seite des Eingangs befand sich eine Wendeltreppe, die nach oben führte, auf der rechten Seite stand ein alter, zertrümmerter Schrank. Ein Gefühl der Unbekümmertheit ergriff von dem jungen Mann Besitz und seine Angst war vergessen. Er fühlte sich leicht, müde und ohne Sorge.
Ihm war, als würde er etwas rascheln hören und wandte sich dem hinteren Bereich des Raums zu. Er konnte nicht erkennen, was sich dort befand und näherte sich weiter, als er plötzlich zurückschreckte. Eine Falltür tat sich vor ihm auf hinter der sich nur gähnende Leere befand. Die Anziehungskraft ging davon aus, das wusste er nun. Am liebsten wäre er hingegangen, nur um einmal einen Blick hinein zuwerfen, doch Angst überkam ihn und er machte einen Schritt zurück. Das betäubende Gefühl der Unbekümmertheit war gewichen und nun spürte er die abgrundtiefe und alles verschlingende Bosheit, die diesen Turm umgab. Er wollte sich umdrehen und diesen Ort so schnell wie möglich verlassen, als er etwas hörte, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Aus der Dunkelheit der Falltür ertönte Wispern, leise, wie aus weiter Ferne. Der junge Mann war sich nicht sicher, glaubte aber die Stimme einer Frau zu hören. Sie klang traurig und voller Kummer, doch je länger er lauschte, desto deutlicher und wütender wurde die Stimme, bis sie plötzlich direkt unter der Falltür zu hören war. Den junge Mann ließ die Äste fallen und rannte zum Ausgang des Turms, beinahe über seine eigenen Füße stolpernd. Bei der Tür angekommen warf er noch einen Blick zurück. Wallendes, schwarzes Haar erschien aus der Dunkelheit der Falltür, gefolgt von einem paar dunkler Augenhöhlen, welche schon lange kein Leben mehr beinhalteten. Daraufhin nahm der Mann seine Beine in die Hand und rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war. Am Rande der Lichtung angekommen hörte er ein letztes mal das hämische Krähen des Raben, doch er blickte nicht mehr zurück. Nicht um alles in der Welt.

Schon seit unzähligen Jahren kursierte in der Gegend eine Geschichte, wie man sie für gewöhnlich unartigen Kindern erzählte, um sie zu ängstigen. Es ging darin um ein Geheimnis, welches um jeden Preis gewahrte werden musste. Menschen, die sich um einen alten Turm auf einer Lichtung scharten - eine schreiende Gestalt, die von zwei Männern ins Innere des Turms gezerrt wurde. Wallendes schwarzes Haar und das bleiche Gesicht einer jungen Frau, welches in der Dunkelheit einer Falltür verschwand. Mit einem poltern fiel die Falltür zu, dann herrschte Finsternis. Das leise Wimmern einer Frau, dann Stille ..."


Ezzo verstummte und ließ den Blick gemächlich über die Zuhörer schweifen, ehe ein Lächeln über seine Lippen huschte. Er schien mit den Reaktionen zufrieden zu sein.
„Diese Geschichte, meine ehrenwerten Zuhörer und Zuhörerinnen, ist kein Produkt meiner Fantasie, noch eines anderen. Der Turm existiert wahrhaftig … Irgendwo da draußen …"
Ezzo warf einen Blick aus dem Fenster und stellte erheitert fest, dass viele es ihm gleichtaten.
„Eine geruhsame Nacht wünsche ich", sagte er und verneigte sich schelmisch grinsend.

„Was für eine grandiose Geschichte!", sagte Jiro begeistert lächelnd, auf dem Weg zu ihren Zimmern. „Und die Inszenierung erst! Der Mann versteht sein Handwerk."
„Glaubt ihr, dass tatsächlich etwas an der Geschichte dran ist?", murmelte Luna, nachdenklich vor sich hin blickend.
Tell schüttelte den Kopf und seufzte. „Selbstverständlich nicht! Geschichten von Geistern und Ungeheuern sind ausgemachter Unsinn und Aberglaube, nichts weiter."
„Hm, ich weiß nicht so recht", sagte Nante und schaute mit grüblerischem Blick zur Decke. „Es geschehen viele Dinge auf Edos, welche wir uns nicht erklären können."
„Wie du meinst", erwiderte Tell spöttisch lächelnd und faltete die Hände hinter dem Hinterkopf. „Geister … Dass ich nicht lache."

Die Stunden vergingen und Stille legte sich allmählich über das Hotel. Die meisten Gäste hatten sich bereits zur Ruhe gelegt und hingen friedlich ihren Träumen nach – nur einer hielt in der Stille der Nacht wache.
Tell hatte es sich im Korridor vor Jiros Zimmertür auf einem Stuhl gemütlich gemacht und starrte müde vor sich hin, während die Zeit nur langsam verrann. Ab und zu wanderte er im Korridor auf und ab, um die Müdigkeit zu vertreiben, ehe er sich wieder auf seinem Stuhl niederließ und erneut träge vor sich hin starrte.
Nicht mehr lange und Luna würde ihn hier ablösen. Bis es aber soweit war, würde er aber noch so manches Mal auf und ab spazieren.

Luna wälzte sich unruhig auf ihrem Bett hin und her. Üble Träume schienen sie zu plagen und ließen sie im Schlaf stöhnen und murmeln. Schließlich schreckte sie hoch, schwer atmend und sah sich im Zimmer um. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, wo sie war und ein erleichtertes Seufzen entkam ihr. Erst in diesem Moment bemerkte Luna die Musik, die von draußen durch das offene Fenster klang. Sie spitzte die Ohren. Es war der Klang einer Flöte – so viel konnte sie sagen, aber die Melodie hatte sie noch nie zuvor gehört. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinab. Auch wenn die Klänge etwas Unheimliches an sich hatten, schwang eine gewisse Wehmut mit ihnen mit, die einem das Herz schwer werden ließ. Das Lied handelte wohl von Verlust und Selbstmitleid, aber auch von Groll über das Schicksal, welches jemandem zu Teil wurde.
Luna stieg aus dem Bett und wandelte leisen Schrittes zu dem Fenster, um die Quelle der Musik auszumachen. Im Lichte des Mondes konnte sie eine dunkle Gestalt ausmachen, die auf dem steinernen Steg saß und zum Plätschern des Flusses spielte.
Nun war Lunas Neugier geweckt. Ohne groß zu zögern, kletterte sie aus dem Fenster.

Es war kühl Draußen und eine leichte Brise wehte. Luna tapste möglichst leise in ihrem Schlafanzug den steinernen Steg entlang, geradewegs auf den Flötenspieler zu.
Als sie nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, verstummte die Musik plötzlich und der Spieler wandte sich langsam zu ihr um. Das Gesicht war nur allzu vertraut.
„Was willst du hier?", fragte Nante mit ruhiger Stimme und musterte sie eindringlich mit seinen dunkel-blauen Augen.
Luna blickte ihn überrascht an und war für einen kurzen Moment sprachlos. „Ich habe die Musik gehört und wollte wissen, woher sie kommt. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du es bist."
Nante musterte sie weiterhin. Dann wandte er sich von ihr ab und blickte den Fluss entlang.
„Tja, wie hat Tell vorhin gesagt? Ich stecke voller Überraschungen", antwortete Nante. Ein leises, bitteres Kichern war zu hören. „Was machst du nun also hier? Du solltest eigentlich schlafen."
„Ich habe schlecht geträumt und bin erwacht", murmelte Luna und blickte nun ebenfalls den plätschernden Fluss entlang. „Das Selbe könnte ich dich aber auch fragen. Was machst du hier draußen?"
Nante schwieg vor sich hin, ehe er den Blick nachdenklich auf seine Flöte richtete.
„Spielen …", lautete seine Antwort bloß.
Luna seufzte etwas genervt. „Geht es vielleicht ein bisschen ausführlicher?"
Nante schwieg erneut und als Luna schon die Hoffnung aufgeben wollte, lehnte er sich zurück und blickte nachdenklich zum Nachthimmel. Erst jetzt, wo sein Gesicht im Mondschein lag, konnte Luna den unendlich müden, beinahe schon traurigen Ausdruck in seinen Augen sehen.
„Ich konnte nicht schlafen. Die Nachtluft und das Spielen auf der Flöte helfen mir dabei, zur Ruhe zu kommen."
Luna war überrascht über seine plötzliche Offenheit und blickte ihn fragend an. Ehe Nante wusste, wie ihm geschah, ließ sich Luna hinab und setzte sich zu ihm. Nante ließ sie schweigend gewähren.
„Ich verstehe", murmelte Luna und blickte nun ebenfalls nachdenklich zu den Sternen. „Es gibt da etwas, was ich dir sagen wollte … Danke."
Nante wandte sich zu ihr, der Blick sichtlich irritiert. „Wieso?", lautete seine Frage.
„Schon vergessen? Weil du in der Manufaktur mein Leben gerettet hast – darum!", sagte Luna und lächelte milde. Aber für Nante schien das nicht Antwort genug zu sein.
„Danke? Wieso ausgerechnet jetzt?", wollte er wissen.
„Weil ich allmählich glaube, mich ich in dir geirrt zu haben. Du scheinst doch nicht so ein unausstehlicher, kalter Mensch zu sein, wie ich anfangs dachte …"
Was als Kompliment gemeint war, wurde nicht als eben jenes verstanden. Nantes Augen wurden kalt und sein Blick finster. Ohne etwas zu sagen, erhob er sich plötzlich und blickte mit seinen dunkel-blauen Augen auf sie herab.
„Täusch dich mal lieber nicht, Luna", sagte er und sein Gesichtsausdruck wurde bitter. „Nachdem wir die Manufaktur verlassen hatten, war es mein Vorschlag, dich auf einer Bank zurück zu lassen. Wäre es nach mir gegangen, wärst du nie Mitglied bei Umbra geworden." Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und schritt davon, während ihm Luna überrascht und enttäuscht hinterher blickte …
Folge 8 der Geschichte Tales Of Edos - The Rise Of Nemra.
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Secret-of-Maana's avatar
Wieder einmal ein sehr gutes Kapitel, doch was mir aufgefallen ist, das du sehr oft nahe beieinander gleiche Wörtere benutzt. Wie hier zum Beispiel

... und bedeutete den Gefährten mit einer Handbewegung, sich zu ihm zu gesellen.
... als sie sich endlich zu ihm gesellt hatten.


Da solltest du für eines der gesellen ein anderen Begriff verwenden. Ich glaube, ich habe schon einmal gesagt, das bei manchen Dingen Wiederholungen kaum vermeidbar sind. Doch bei so einem Wort das auch so nah beieinander liegt sollte man ein Synonym verwenden.

Dann gab es auch noch einige Schreibfehler wie hier.

Nach und wurden die Gäste...

Im letzten Satz sind sogar sehr viele Fehler wie

Täusch die mal lieber nicht... und ... die auf einer Bank zurück zu lassen...